HAIE HABEN KEINE HÄNDE – ein Interview mit dem Autor Ralf Kiefner

HAIE HABEN KEINE HÄNDE – ein Interview mit dem Autor Ralf Kiefner

Kaum ein Taucher kann sich der Faszination, die von Haien ausgeht, entziehen. Ganz besonders, wenn man ihnen ohne schützenden Käfig, Auge in Auge, begegnet. Und kaum jemand vermag den Zauber der spannenden und atemberaubenden Interaktionen mit Haien besser zu beschreiben als der bekannte Taucher, Fotograf und Filmemacher Ralf Kiefner.

Aquanaut hat ihn zu einem Gespräch getroffen.

 

Aquanaut: Ralf, Dein erster Film über das Freitauchen mit Großen Weißen Haien wurde weltweit von National Geographic und Discovery Channel ausgestrahlt. Nun beschreibst Du einige Erlebnisse bei den Dreharbeiten in Deinem neuen Buch. Wie sind Du und Deine Frau Andrea auf die Idee gekommen, damals eine Doku über das Freitauchen mit Weißen Haien ohne Käfig zu machen?

Ralf: Wir haben mit den Dreharbeiten zu Beyond Fear 1998 begonnen, und es hat 6 Jahre (in der jeweiligen Saison) gedauert, bis wir genügend Unterwasser-Aufnahmen zusammen hatten. Damals hatte noch niemand versucht eine 1-Stunden-Doku über das Tauchen mit Weißen Haien ohne Käfig zu realisieren, und so konnten wir auch niemanden fragen. Alles war „learning by doing“. Aber Andrea, das gesamte Team um uns herum und ich waren von Anfang an fest davon überzeugt, dass es möglich ist, harmonische Interaktionen mit Weißen Haien zu haben. Die Idee zu der Doku kam irgendwie ganz von selbst. Ich hatte zuvor Berichte für zwei Tauchmagazine über Weiße Haie in Südafrika gemacht, und bei beiden Touren habe ich nicht das Verhalten der Haie erlebt, das vermeintlich zu erwarten war. Die Haie waren nicht aggressiv und bissen nicht wahllos in alles, was sie packen konnten, sondern sie waren eher vorsichtig und scheu. Schon damals waren einige Hai-Arten vom Aussterben bedroht und so reifte die Idee, diese Doku zu machen. Man kann sie übrigens auf VIMEO ansehen.

 

Aquanaut: Was war eure Triebfeder für diese Doku?

Ralf: Damals wie heute wollten und wollen wir mit unseren Produktionen zum Schutz der Haie beitragen. Unser Ziel ist es, durch unsere sehr engen Interaktionen das negative Image der Haie zu ändern, denn wir glauben, dass Menschen nur das bereit sind zu schützen, was sie kennen, und was bei ihnen mit einem positiven Image behaftet ist. Wir waren damals der Überzeugung, dass wir das am besten erreichen konnten, indem wir friedliche, harmonische Interaktionen zwischen Mensch und Hai zeigen. Also beschlossen wir mit dem bekanntesten und vermeintlich gefährlichsten Hai ohne Käfig zu interagieren.

 

Aquanaut: Beschreib mal, wie das für Dich war, zum ersten Mal einem Weißen Hai ohne Käfig gegenüber zu stehen?

Ralf: Natürlich werde ich mein erstes Mal – Auge in Auge mit einem Weißen Hai, ohne Käfig – niemals vergessen. Das war echt spannend! Wir wussten, dass ein Hai am Boot war. Obwohl ich so leise wie möglich ins Wasser glitt, ließ er sich zunächst nicht blicken. Wir schnorchelten also an der Oberfläche, und ich starrte angespannt in das grünliche Wasser unter mir. Natürlich machte sich dann langsam Unbehagen in mir breit. Erste Zweifel kamen auf, und die Kälte des Wassers drang langsam durch meinen Tauchanzug. Bis dann schließlich eine kaum erkennbare, spindelförmige Silhouette in mein Blickfeld kam. Vor lauter Begeisterung hatte ich anfangs glatt die Kamera in meinen Händen vergessen! Um genau zu sein, hatte ich in diesem Moment alles um mich herum vergessen!

 

Aquanaut: Normalerweise sollte man wilde Tiere nicht berühren, warum macht ihr das trotzdem in euren Dokus und auf einigen Fotos im Buch?

Ralf: Gut, dass Du danach fragst! Ich bin grundsätzlich dagegen freilebende Tiere anzufassen. Bei unseren Produktionen stehen immer der Respekt vor den Tieren und ihr Schutz im Vordergrund. Die engen Interaktionen und Berührungen mit den Haien wurden immer von den Tieren initiiert. Die Kontakte gingen immer von ihnen aus. Zudem berührt niemand (der bei Verstand ist) einen großen Hai gegen dessen Willen. Man darf niemals vergessen, dass Haie wilde Tiere sind, dass sie Zähne haben und, dass sie sehr wohl wissen diese auch einzusetzen. Ich rate also davon ab, hautnahe Interaktionen gegen den Willen eines Hais (und jeden anderen Tiers) herbeizuführen! Es ist ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen notwendig, um hautnahe Interaktionen mit einem großen Raubtier zu haben. Und selbstverständlich benötigt man unglaublich viel Geduld und Zeit, um dieses gegenseitige Vertrauen aufzubauen! Aber natürlich sieht man die Zeit des gegenseitigen Kennenlernens und des Aufbauens von Vertrauen nicht in den Filmen oder auf den Fotos.

 

Aquanaut: Wie bist Du auf die Idee gekommen jetzt ein Buch über Haie zu schreiben?

Ralf: Wir wollen genau wie bei unseren Dokus das negative Image der Haie ändern. Ich tauche seit mehr als 25 Jahren ohne Käfig mit Haien. In dieser Zeit haben uns die Tiere so unendlich viele unvergleichbar tolle Erlebnisse geschenkt, dass ich die Idee für das Buch schon sehr lange mit mir rumgetragen habe. Aber für so ein Buch braucht man viel Zeit und Muße. Und da in den letzten Monaten alle Produktionen, Projekte und Vorträge abgesagt wurden, hatte ich endlich die Zeit und Ruhe die ich brauchte um dieses Buch zu schreiben. In dem Buch steckt so viel Herzblut!

 

Aquanaut: Wie bist Du auf den Titel „Haie haben keine Hände“ gekommen?

Ralf: Wenn ich ehrlich bin, kam der Titel wie von selbst zu mir. Seit ich dieses Buch schreiben will, hatte ich diesen Titel im Kopf. Und es stimmt ja auch! Meist hatten wir Köder im Wasser, um die Haie anzulocken. Allerdings haben wir sie nicht gefüttert. Man muss sich dann nur mal in die Position des Hais versetzen: Er schwimmt zum Boot, weil er etwas lecker Duftendes wahrgenommen hat. Er sucht nach diesem „Leckerbissen“, den er am Boot vermutet, findet ihn jedoch nicht. Und dann sind da diese komischen – für ihn unbekannten Wesen – im Wasser. Der Hai weiß nicht, ob wir Nahrungskonkurrenten sind, also ebenfalls nach diesem Leckerbissen suchen, ob wir den Hai gar angreifen und erbeuten wollen, oder ob wir vielleicht selber die Beute darstellen. Um das zu erkunden wird er uns früher oder später genauer in Augenschein nehmen und untersuchen. Und – da sind wir beim Buchtitel – weil Haie keine Hände haben, müssen sie einen Probebiss ansetzen oder uns anstupsen. Sie können uns nicht mit Händen erkunden, so wie wir es machen würden. Wir haben diese Probebisse wirklich nie als Angriffe empfunden. Und tatsächlich waren diese Bisse nicht aggressiv, sondern meist eher vorsichtig und prüfend.

 

Aquanaut: Lieber Ralf, recht herzlichen Dank für das Gespräch! Wir wünschen Dir noch viele weitere beeindruckende Interaktionen mit den großen Beutejägern – und beste Inspiration für weitere derart faszinierende Bücher!

 

HAIE HABEN KEINE HÄNDE – SPANNENDE ERLEBNISSE MIT HAIEN

176 Seiten, 142 Farbabbildungen, Festeinband, 21×18 cm

EURO 29,90

Erhältlich: im Buchhandel und online

Verlag Ludwig, www.verlag-ludwig.de

ISBN: 978-3-86935-427-9

 

Andrea Ramalho Kiefner and Ralf Kiefner during a trip in Tonga

Lemon Shark (Negaprion brevirostris); very close encounter; Atlantic Ocean, Carribean; Bahamas

Oceanic Whitetip Shark (Carcharhinus longimanus) close encounter with a diver.
Bahamas

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Autor: Ralf Kiefner taucht seit 1975 und arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre erfolgreich als Autor sowie als Tier- und Unterwasserfotograf, Unterwasserkameramann und Produzent. Im Laufe der Jahre wurde sein Hobby nicht nur zum Beruf, sondern vielmehr zur Berufung. Und so verwundert es auch nicht, dass seine TV-Produktionen und Dokumentationen weltweit ausgestrahlt und vielfach auf internationalen Filmfestivals ausgezeichnet wurden und seine Fotos in zahllosen Magazinen weltweit publiziert werden.

Bei seinen Produktionen stehen für ihn und seine Frau Andrea Ramalho (eine Biologin) — die auf vielen Bildern in diesem Buch zu sehen ist — immer der Respekt vor den Tieren und ihr Schutz im Vordergrund.


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