Die Ozeane stehen laut Geomar vor „überraschenden Veränderungen“

Die Ozeane stehen laut Geomar vor „überraschenden Veränderungen“

Wissenschaftler aus Deutschland und Australien haben simuliert, wie sich die Ozeane im Laufe der Jahrhunderte verändern. Die Forscher sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass den Weltmeeren „überraschende Veränderungen“ bevorstehen.

In der Zukunft stehen in den Ozeanen überraschende Veränderungen an. Diese Erkenntnis geht zurück auf eine neue Studie des Meeresforschungszentrums Geomar und der australischen Universität von New South Wales in Sydney. Die Wissenschaftler stellen nämlich in Frage, dass Phytoplankton in Folge der Klimaerwärmung zukünftig weniger organisches Material als heute produziert. Die Arbeit der Forscher legt zudem nahe, dass die Planktongemeinschaft in fernerer Zukunft eine völlig neue Art der Produktivität entwickelt.

Studien zufolge steigt die von Menschen verursachte Kohlendioxid-Emission in den kommenden 100 Jahren massiv an – sofern sich die derzeitige Entwicklung nicht ändert. Die globale Mitteltemperatur würde um fast fünf Grad Celsius steigen, und auch der Ozean würde sich stark erwärmen. Laut der Studie von Wissenschaftlern der Universität von New South Wales in Sydney, Australien, und des Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel könnten diese Veränderungen die Produktivität mariner Organismen grundlegend verändern. In ihrer Arbeit, die in der aktuellen Ausgabe der Environmental Research Letters veröffentlichtet ist, argumentieren die Forscher, dass die bisherigen Prognosen für die nächsten 100 Jahren nicht unbedingt die fernere Zukunft des Ozeans darstellen.

Simulation über 600 Jahre
„Wir haben eine Simulation über 600 Jahre, beginnend im Jahr 1800, erstellt und sind dem Entwicklungs-Pfad RCP 8,5 des Weltklimarats IPCC gefolgt, einem ,business as usual“-Szenario’“, erklärt Dr. Karin Kvale, Modelliererin am Geomar. Drei leicht unterschiedliche Modelle zeigten zunächst eine verminderte Produktivität des Ozeans. Grund für den Rückgang sei, dass das Meerwasser durch steigende Temperaturen stärker geschichtet ist und weniger Vermischung stattfindet. Wenn weniger Wasser aus der Tiefe die sonnendurchflutete obere Schicht erreiche, stünden auch weniger Nährstoffe für das Phytoplankton zur Verfügung, und die Produktion von organischem Material aus anorganischem Kohlenstoff – etwa durch Photosynthese – würde erheblich sinken.

Laut den Berechnungen der Modellierer kurbeln steigende Wassertemperaturen die Respirationsraten ab dem Jahr 2000 wieder an. „Die heterotrophe Zehrung, beispielsweise durch Bakterien, Stoffwechsel-Prozesse oder von Plankton, das sich von organischen Stoffen aus anderen Organismen ernährt, nimmt dann stärker zu als die Primärproduktion“, fasst Dr. Kvale zusammen. „Irgendwann sorgt dieses unausgewogene Verhältnis dafür, dass sich die globale Primärproduktion von einem System, das bislang durch physikalische Faktoren wie dem Zugang zu Nährstoffen aus tieferen Wasserschichten beschränkt wird, in ein völlig neues Regime wechselt, das im wesentlichen durch die Biologie selbst angetrieben wird.“

Weniger Kohlenstoff in die Tiefe
In einem zukünftigen Ozean mit verstärkter Heterotrophie würden Kohlenstoff und Nährstoffe in der oberen Wasserschicht effektiver umgesetzt als innerhalb des derzeitigen Systems. So gelangte weniger Kohlenstoff in die Tiefe, um dort gespeichert zu werden. Dies hätte auch Auswirkungen auf die Fähigkeit des Ozeans, Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufzunehmen und die Auswirkungen des globalen Wandels zu mildern.

Die derzeit verwendeten Modelle berücksichtigen nach Angaben der Forscher noch nicht, dass Ozeanversauerung im Zuge der globalen Veränderung auch das Wachstum kalkbildender Organismen beeinträchtigen kann oder sich die von vielen Organismen produzierte Kalkart Aragonit im saureren Wasser besonders leicht auflöst. Beide Prozesse würden den Kohlenstoff-Export aus der oberen Schicht des Ozeans verringern und dadurch den Wechsel zur Heterotrophie weiter beschleunigen und verstärken.

Aus diesem Grund müssten die Modelle verfeinert werden, um ein besseres Verständnis möglicher Veränderungen und eventuelle Kipp-Punkte zu erhalten, betonen die Wissenschaftler. „Unsere Studie ist ein Hinweis darauf, dass in der ferneren Zukunft überraschende Veränderungen im Ozean anstehen“, so Dr. Kvale. „Wir halten es in der Debatte über den Klimawandel für wichtig, auch solche längerfristigen Vorhersagen zu berücksichtigen. Natürlich gibt es noch viele Unsicherheiten – sowohl in Bezug auf die Treiber eines solchen massiven Wandels als auch mit Blick auf seine möglichen Auswirkungen.“ (red)

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